Definition des Begriffs 'Religion'

Religion

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Eine allgemein gültige Definition des  Begriffs Religion existiert nicht. In der Wissenschaft unterscheidet man einen funktionalistischen und einen substanzialistischen Religionsbegriff. Während ersterer auf die gesellschaftliche Funktion einer Religion fokussiert, bildet letzterer eine Basis für ein spirituell-mystisches Verständnis von Religion.

Einleitung

Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs 'Religion' existiert nicht. In der Wissenschaft wird der Ausdruck von zwei unterschiedlichen Gesichtspunkten her betrachtet und definiert, dem funktionalistischen und dem substanzialistischen Religionsbegriff.

Funktionalistischer Religionsbegriff

Definition über die Funktion einer Religion

Das Phänomen Religion wird über seine Funktion für den Einzelnen bzw. für die Gesellschaft definiert. Eine bekannte funktionalistische Religionsdefinition stammt von Clifford Geertz:

«Religion ist ein Symbolsystem, dessen Ziel es ist, starke, umfassende und dauerhafte Stimmungen und Motivationen im Menschen zu erzeugen, indem Vorstellungen einer allgemeinen Seinsordnung formuliert werden, die mit einer solchen Aura von Faktizität umgeben werden, dass die Stimmungen und Motivationen vollkommen der Realität zu entsprechen scheinen.»

Schwerpunkt: Soziale Funktion

Religion wird somit v.a. über die soziale Funktion definiert. Der Ansatz besagt, dass Religion für das Individuum und die Gesellschaft eine prägende Rolle spielt und diese mitgestaltet. Emile Durkheim definiert Religion wie folgt:

«Religion ist ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige Überzeugungen und Praktiken beziehen, die in einer moralischen Gemeinschaft, die Kirche genannt wird, alle Personen vereint, die ihr angehören.»

Anwendung in Religionssoziologie und Religionswissenschaften

Der funktionalistische Religionsbegriff wird hauptsächlich in der Religionssoziologie und der Religionswissenschaft genutzt. Der universitären Ausbildung von Religionswissenschaftlern liegt meist ein funktionalistischer Religionsbegriff zugrunde (Religionswissenschaftliches Seminar der Universität Zürich):

«Religionswissenschaftler stellen keine religiösen Fragen, sondern beschäftigen sich mit Religion als kulturellem, historischem und sozialem Phänomen. (...) Das Studium der Religionswissenschaft soll eine Studentin oder einen Studenten dazu befähigen, Religion und Religionen auf der Grundlage geistes- und sozialwissenschaftlicher Methoden als bedeutsamen Faktor sozio-kultureller Kommunikation in Geschichte und Gegenwart zu analysieren und zu interpretieren.»

Fazit: Religion wird bei diesem Ansatz schwergewichtig als kulturelles, historisches und soziales Phänomen betrachtet. Es geht in dem Ansatz nicht darum, den innersten Kern von Religion zu verstehen, sondern bloss darum, den kulturellen, historischen und sozialen Kontext auszuleuchten. Falls man das Absolute (Gott) nicht per se ausschliesst, greift der Ansatz zu kurz, denn er kratzt bloss an der Oberfläche des Phänomens Religion.

Substanzialistischer Religionsbegriff

Auseinandersetzung mit dem Transzendenten

Das Phänomen Religion wird über seinen Inhalt und seine Merkmale definiert. Eine verbreitete substanzialistische Definition ist diejenige von Gustav Mensching:

«Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen.»

Religion ist demnach ein Phänomen, das das Heilige, Transzendente oder Absolute zum Wesen hat. Religion wird als eine Auseinandersetzung des Menschen mit dieser transzendenten Macht erklärt.

Die Mysik folgt einem substanzialistischen Religionsverständnis

Aus der Perspektive der Mystik ist der substanzialistische Religionsbegriff vorzuziehen, denn Mystik ist per Definition die Suche nach einer direkten und erfahrbaren Beziehung zum Absoluten.

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Version vom 11. April 2023

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