Die Rede von Gott

Reden von Gott

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Gott bzw. das Absolute ist jenseits alles Denkbaren und lässt sich deshalb kaum in Worte fassen. Über Gott zu sprechen ist deshalb eine grosse Herausforderung. Versuche enden meist in einer unvollständigen Darstellung oder mit logischen Widersprüchen. Am ehesten kann über eine Sammlung von Metaphern ein gewisses Gefühl für die Grenzenlosigkeit von Gott vermittelt werden.

Einleitung

In jeder Religion wird das Absolute seiner Natur nach als jenseits alles Seienden und auch jenseits menschlicher Begrifflichkeit angenommen. Gott ist "Grund des Seins für alle Dinge und doch selbst nicht Ding und nichts Seiendes" (Pseudo-Dionysius Areopagita,  Mystische Theologie). So wird Gott von Theologen und Philosophen als unbegreifliche und unaussprechliche transzendente Wirklichkeit beschrieben, die nicht rational erfasst oder in Konzepte gefasst werden kann, weil sie "den letzten Horizont aller Wirklichkeit bildet und sich daher nicht noch einmal begreifend in einen noch weiteren Horizont einordnen lässt" (Karl Rahner in Schmidt-Leukel, 2005, S. 200) bzw. sie ist "dann richtig begriffen, wenn ihre notwendige Unbegreiflichkeit begriffen ist" (ebenda, S. 201).

Nun ist der Mensch von Natur aus neugierig und möchte seine Umwelt verstehen und beschreiben können. Die Feststellung, dass Gott eine unbegreifliche und unaussprechliche transzendente Wirklichkeit darstellt, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich. Es hat deshalb immer Bemühungen gegeben, Gott aller Bedenken zum Trotz in Worte zu fassen. Dabei wird grob zwischen einer 'positiven' und einer 'negativen' Definition unterschieden. Eine andere Möglichkeit ist, mit Metaphern und Denkmodellen zu arbeiten.

Positive Beschreibung

Beschreibung über Attribute

Oft wird Gott bzw. das Absolute mit unterschiedlichen Attributen wie z.B. ewig, unveränderlich, barmherzig, allwissend, allmächtig, schöpferisch und/oder personal beschrieben. Unter der Annahme, dass Gott bzw. das Absolute nicht rational erfassbar und jenseits aller Konzepte ist, können solche Attribute kein auch nur annähernd vollständiges Bild vermitteln. Sie bilden bestenfalls einzelne Teilaspekte ab, wie dies z.B. im » Gleichnis der blinden Männer und des Elefanten bildhaft dargestellt wird.

Gefahr von logischen Konflikten

Gewisse Kombinationen von Attributen können auch zu logischen Konflikten führen. Wie kann beispielsweise ein allwissender, allmächtiger und allgütiger Gott das Elend auf dieser Welt zulassen? Entweder weiss der gütige Gott vom Elend, ist aber nicht in der Lage, dieses zu verhindern. Dann ist Er nicht allmächtig. Oder Gott weiss vom Elend und könnte es verhindern, ist aber nach menschlichem Verständnis nicht allgütig. Oder Gott könnte das Elend zwar verhindern, weiss aber nichts davon. Dann ist Er nicht allwissend. Der Konflikt ist unter dem Begriff » Theodizee bekannt und sorgt seit Jahrhunderten für Diskussionen unter den Theologen und Philosophen.

Die Absolutsetzung eines auf Attributen beruhenden Gottesverständnisses ist deshalb unsinnig. Kein System von Attributen kann von sich behaupten, dass es das Absolute besser beschreibt als alle anderen.

Negative Theologie

Positive Attribute können dem Absoluten nicht gerecht werden

Die Diskussion der positiven Beschreibung zeigt, dass Gott bzw. das Absolute mittels Zuschreibung von Attributen, Metaphern und Denkmodellen nicht angemessen und vollständig beschrieben werden kann. Der griechische Philosoph und Mittelplatoniker Alkinoos bringt dies in seinem Lehrbuch Didaskalikos wie folgt auf den Punkt:

"Gott ist unaussprechlich (árrhētos). Gott kommt nichts zu, weder Schlechtes noch Gutes. Wäre er gut, so hätte er Anteil am Guten, dann wäre das Gute ein ihm übergeordnetes Prinzip. Weder kommt ihm eine Beschaffenheit zu (sonst wäre sie ihm von ihrer Quelle verliehen worden) noch Nichtbeschaffenheit (sonst hätte er einen Mangel an Beschaffenheit und bedürfte der Vervollkommnung). Er ist weder ein Teil von etwas noch wie ein Ganzes, das Teile hat; weder bewegt er noch wird er bewegt."

Über schrittweise Negation zur Essenz des Absoluten

Das Vorgehen der 'Negativen Theologie' besteht darin, alle positiven Aussagen über Gott als nicht zutreffend zu verwerfen, beginnend mit der unbelebten Materie und den niederen Gemütsbewegungen und schrittweise fortschreitend zu Begriffen wie Gutheit. Durch diese schrittweise Negationen soll der Suchende von der vertrauten Gedankenwelt weggebracht und zu Gott hingeführt werden. Die Übung führt erst zu Wortlosigkeit und schliesslich zum Schweigen. Das Schweigen wird als Voraussetzung dafür gesehen, dass der Suchende eine authentische Beziehung zu Gott erlangen kann. (» Wikipedia - Negative Theologie)

Quintessenz: Gott kann nicht in Worte gefasst werden

Positive und negative Theologie sind einander nur scheinbar entgegengesetzt, denn die negative Theologie bezieht sich ja auf positive Aussagen, die jedoch durch den Prozess der Negation auf rein metaphorische Aussagen reduziert werden. Bildlich gesprochen 'bekleidet' die positive Theologie die 'nackte' göttliche Wesenheit (essentia) mit Aussagen wie z.B. 'Gott ist die Wahrheit', während die negative Theologie der Gottheit dieses Kleid in einem logischen Prozess wieder auszieht und es auf metaphorische Aussagen im Sinne von 'so kann Gott genannt werden' reduziert. Die Negative Theologie führt zur Einsicht, dass Gott kein 'Etwas' ist. Deshalb gibt es auch keine Antwort auf die Frage, was Gott ist. Gott kann unter diesem Gesichtspunkt sogar ein 'Nichts' genannt werden (siehe dazu auch die Definition von 'Leerheit' unter » Das Absolute im Buddhismus).

Transzendenz von Positiver und Negativer Theologie

Kritik an Positiver und Negativer Theologie

Meister Eckhart unterwirft auch die Negative Theologie der Kritik. Er stellt fest, dass positive Aussagen unter dem Gesichtspunkt der Reinheit (puritas) ausgeschlossen werden müssen, da sie Gott mit etwas Geschaffenem in Bezug setzen und so eine von vornherein 'verunreinigte' Gottesvorstellung erzeugen. Negative Aussagen hingegen sind unter dem Gesichtspunkt der Fülle (plenitudo) unzutreffend, da sie etwas ausschliessen, obwohl das Göttliche nichts verneint und ausschliesst. Somit erweist sich für Eckhart sowohl die positive als auch die negative Theologie als unzulänglich.

Über Gott kann weder positiv noch negativ etwas ausgesagt werden

Beide Ansätze nehmen Begrenzungen vor, die mit dem allumfassenden Charakter des Absoluten unvereinbar sind. Nach Ansicht von Meister Eckhart kann über Gott weder positiv noch negativ etwas Bestimmtes ausgesagt werden, da Er sich jenseits jeglicher Differenzierung befindet. Das Absolute ist 'weiselos' (ohne Eigenschaften, durch die es definiert werden könnte), ist ein 'grundloser Grund', eine 'stille Wüste', eine 'einfältige Stille'. Da Gott keine Begrenzungen aufweist, gibt es nichts, was er nicht ist; somit ist er 'ein Verneinen des Verneinens'.

Beschreibung durch Metaphern und Denkmodelle

Gott bzw. das Absolute kann auch mittels Metaphern und Denkmodellen beschrieben werden. Ein interessanter Ansatz dazu ist das vermutlich im 12. Jahrhundert entstandene » Buch der 24 Philosophen. Der Text enthält 24 philosophische Denkmodelle, wie man sich Gott vorstellen kann. Die zweite Definition lautet z.B.

"Gott ist die unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgend ist."

Das Buch erhebt nicht Anspruch auf eine vollständige Beschreibung von Gott. In der Gesamtheit der Aussagen ergibt sich jedoch ein gewisser Eindruck vom Absoluten.

Eine andere Metapher stammt von Willigis Jäger (aus "Die Welle ist das Meer"):

"Gott wird als die Eine Wirklichkeit gesehen, die sich vielgestaltig offenbart, dabei aber immer sie selber bleibt. Sie ist wie das Meer, das sich in millionenfachem Wellenschlag offenbart, aber immer das gleiche Wasser bleibt."

Literatur

Dionysius Areopagita, Mystische Thologie, Crotona verlag, 2017

Willigis Jäger, Die Welle ist das Meer, Herder, 2012

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Version vom 11. April 2023

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