Politik der Religionen

Grundsatz

"Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung."

Artikel 8, §2, Schweizerische Bundesverfassung

Mögliche Massnahmen

Auf der Basis der » Grundsätze für eine Politik der Religionen lassen sich konkrete politische Forderungen ableiten. Folgende Massnahmen könnten zur Diskussion gestellt werden:

Staat und Religion

Trennung von Kirche und Staat

Das Christentum bildet zwar eine wichtige Grundlage unseres kulturellen Wertesystems, ist aber nicht mehr die einzige relevante Religion in der Schweiz. Zudem ist heute ein grosser Teil der Bevölkerung nicht mehr Mitglied einer Landeskirche.

Diesem Tatbestand müsste dadurch Rechnung getragen werden, dass einerseits alle Religionsgemeinschaften untereinander sowie gegenüber säkularen Institutionen gleich behandelt werden. Es ist nicht einsichtig, weshalb der Staat nur für ausgewählte Religionsgemeinschaften die Steuern eintreibt oder ihnen einen erleichterte Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Spitäler, Gefängnisse etc.) ermöglicht.

Diese historisch bedingten Privilegien müssten abgeschafft werden. Auf der anderen Seite müsste der Staat auch von den heute nicht formal anerkannten Religionsgemeinschaften die Einhaltung gewisser Standards einfordern, wie z.B. eine demokratische Organisationsform, die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, die Anerkennung der Religionsfreiheit sowie die volle finanzielle Transparenz.

Zu erreichen wäre dies durch eine Entflechtung bzw. Trennung von Kirche und Staat. Anstatt einer formalen, mit spezifischen Privilegien verbundenen Anerkennung sollte eine Registrationspflicht für Religionsgemeinschaften ab einer bestimmten Anzahl Mitglieder eingeführt werden.

Die über die Religion im engeren Sinne hinausgehenden gemeinschaftlichen und kulturellen Aufgaben der religiösen Gemeinschaften sind über einen Leistungsauftrag zu definieren und vom Staat abzugelten. Dabei sollen für alle religiösen Gemeinschaften dieselben Massstäbe angewendet werden.

Durchsetzung des Antirassismusgesetzes

Die Antirassismus-Strafrechtsnorm (Art. 261bis StGB) soll auf diskriminierende Äusserungen von religiösen Exponenten gegenüber anderen Religionen oder Religionsgemeinschaften konsequent angewendet werden. Das gilt insbesondere für Aussagen im Rahmen von religiösen Versammlungen und Feiern sowie im Religionsunterricht.

Stimm- und Wahlrecht für Ausländer

Menschen, die in unser politisches System eingebunden sind und mitbestimmen können, sind eher bereit, sich mit dem System auseinanderzusetzen, es zu akzeptieren und letztlich auch mitzutragen. Dies würde das Risiko der Bildung von Ghettos und Parallelgesellschaften vermindern. Das Stimmrecht sowie das passive und aktive Wahlrecht für Ausländer mit einem Aufenthaltsstatus C sind unter diesem Geschichtspunkt prüfenswert.

Schule

Frühe Einschulung

Die (öffentlichen und privaten) Schulen bieten eine gute Möglichkeit, Kindern mit unterschiedlichsten Hintergründen unsere Sprache und Kultur, humanistische Werte, unser freiheitlich-demokratisches System sowie einen toleranten Umgang mit anderen Religionen zu vermitteln. Eine möglichst frühe Einschulung ist vor diesem Hintergrund zu begrüssen und zu unterstützen.

Säkularer Schulbetrieb

Die Schulpflicht ist grundsätzlich höher zu gewichten als die Religionsfreiheit. Religiös motivierte Dispensationen (z.B. vom Schwimmunterricht, Klassenlager) sind unerwünscht und sollen nur in Ausnahmefällen und auf ein formelles Gesuch an die kantonalen Schulbehörden hin möglich sein. Auch das auffällige Tragen religiöser Symbole (grosse Kreuze, Kopftücher, etc.) ist in der Schule unerwünscht. Dies soll auf ein Minimum beschränkt und klar geregelt werden. Missionierung sowie diskriminierende bzw. herabwürdigende Äusserungen über andere Religionen und deren Vertreter haben keinen Platz in der Schule und sind konsequent zu sanktionieren. Die flächendeckende Einführung von Schuluniformen an Grundschulen ist zu prüfen.

Religionsausbildung

Das Wissen um andere Religionen kann das gegenseitige Verständnis erhöhen und sich positiv auf das Zusammenleben auswirken. Die Schulen sollen deshalb ein gutes Grundlagenwissen über die Weltreligionen und deren kulturellen Kontext vermitteln. Die Schüler sollen auch lernen, wie sie mit Menschen aus anderen Religionen in einen konstruktiven Dialog treten können. Dazu soll ein obligatorischer Unterricht eingeführt werden, wie er z.B. im Rahmen von "Religion und Kultur" an der Zürcher Volksschule vorgesehen ist. Dieser Unterricht soll so früh wie möglich beginnen und durch spezialisierte Lehrkräfte möglichst neutral vermittelt werden.

Strikte Kontrolle von Privat- bzw. Religionsschulen

Die Aus- und Weiterbildung von Kindern an Religionsschulen im In- und Ausland kann die Bemühungen um die Verankerung humanistischer Werte und eines freiheitlich-demokratischen Staatsverständnisses unterminieren. Der Unterricht an Schulen mit religiösem Hintergrund im Inland ist deshalb zu regeln und konsequent zu überwachen. Die Ausbildung von Kindern in religiös geprägten Schulen im Ausland ist unter Androhung des Verlusts der Niederlassungsbewilligung für Kinder und deren Eltern zu verbieten.

Religionsgemeinschaften

Ausbildung von Seelsorgern

Eine obligatorische Aus- oder Weiterbildung von Seelsorgern aller relevanten Religionen in der Schweiz durch anerkannte Studiengänge auch für nichtchristliche Religionen ist zu prüfen. Dazu sollen in der Schweiz die notwendigen Ausbildungsgänge und Akkreditierungsorgane, z.B. für Imame, eingerichtet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass in den Lehrgängen das Primat des Staates und seiner Gesetze verankert wird und dass gute Kenntnisse unserer Kultur sowie der anderen Religionen vermittelt werden.

Akkreditierung von Seelsorgern

Ausländische Seelsorger sollen sich akkreditieren müssen, wenn sie über einen längeren Zeitraum in der Schweiz tätig sein wollen.

Umsetzung mit Augenmass

Das folgende Beispiel zeigt, dass die Umsetzung von Massnahmen, wie sie oben gefordert werden, in der Praxis nicht immer einfach ist. Sie sind stets mit Augenmass und im Rahmen einer Güterabwägung umzusetzen.

Aber: Menschen, die sich in der Schweiz nicht integrieren wollen oder können, müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie sich nicht besser ein anderes Land zum Leben suchen.

Trotz Lausanner Urteil – Muslime nicht im Schulschwimmen

Im Oktober 2008 hat das Bundesgericht entschieden, dass zwei moslemische Schüler aus Schaffhausen keinen Anspruch darauf haben, vom Schwimmunterricht befreit zu werden. Geändert hat es nichts.

Wahl zwischen Religion und Staat

Der ältere Knabe habe seinem Lehrer mitgeteilt, dass ihm seine Religion die Teilnahme verbiete. Er nehme in dieser Zeit an anderen Lektionen teil. Meier findet «es schlimm, dass man Kinder in eine solche Lage bringt». Sie hätten nur die Wahl, entweder gegen das Urteil des Bundesgerichtes oder gegen die Vorschriften ihrer Religion zu verstossen. Der Ungehorsam gegen Gott wöge ihrem Glauben gemäss schwerer, weil er Folgen für das ewige Leben habe.

Offene Debatte

Meier hofft darauf, dass die Schulbehörde doch noch einlenkt und einen Dispens für den Schwimmunterricht erteilt. Das Bundesgerichtsurteil schliesse nämlich einen Dispens nicht generell aus. Diese Lösung ist dagegen nach Meinung von Nathalie Zumstein, Vizepräsidenten des Stadtschulrats, unwahrscheinlich. Der Stadtschulrat habe die vorliegende Entscheidung durchgedrückt: «Da müssen wir auch konsequent sein und das durchziehen».

Bis hin zum Schulausschluss

Derzeit suche ein Kulturvertreter als Vermittler zusammen mit der Familie nach einer Lösung, die beiden Seiten gerecht werde. Ein Dispens komme dabei kaum in Frage, Menschenrechte stünden über der Glaubensfreiheit. Sollten die Buben den Schwimmunterricht weiterhin nicht besuchen, gäbe es zwar die Möglichkeit schulisch-disziplinarischer Massnahmen bis hin zum Schulausschluss, so Zumstein. Die seien aber pädagogisch absolut nicht sinnvoll, weil sie dem Ziel der Integration nicht dienten. (cpm/sda)

Integration vor Glaubensfreiheit

In seinem Urteil hat das Bundesgericht die Haltung der Schaffhauser Schulbehörde unterstützt, die keinen Dispens vom gemischt-geschlechtlichen Schwimmunterricht erteilt hatte. Integration gehe über Glaubens- und Gewissensfreiheit hatten drei von fünf urteilenden Richtern befunden. Alle Schüler hätten die obligatorischen Schulfächer zu besuchen. Das Gericht räumte aber den Kantonen die Möglichkeit ein, eine weniger strenge Praxis der Unterrichtsteilnahme zu erlauben. Gerold Meier, Anwalt der tunesischen Familie, bestätigte am Freitag eine Meldung der «Thurgauer Zeitung», wonach die Buben dem gemischt-geschlechtlichen Schwimmunterricht weiterhin fernbleiben.

Tages Anzeiger, 30.01.2009

Links

» Religionen in der Schweiz (Universität Luzern)

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Version vom 10. April 2023

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