Glaube, Wissen und Erkenntnis

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Wissen wir schon oder glauben wir bloss?

Die innere Erkenntnis um die letzte Wahrheit – um Gott und sein Wirken – ist ein wichtiger Aspekt auf dem spirituellen Pfad. Gerade religiöse Menschen haben aber manchmal die Tendenz, Wissen, Glauben und Erkenntnis zu vermischen bzw. Glauben als Wissen auszugeben – meist ohne die entsprechende innere Erkenntnis zu haben.

Die drei Begriffe im Überblick

Die drei Begriffe Glaube, Wissen und Erkenntnis lassen sich wie folgt definieren:

Was bedeutet es, zu 'glauben'?

Definition. Innere, subjektive Sicherheit in Bezug auf einen Sachverhalt. Gefühlsmässiges Vertrauen. Subjektives Fürwahrhalten. Kein Interesse an Rechtfertigung. Oft nicht verifizierbar.

Glaube im christlichen Kontext

Die christliche Auffassung von 'Glauben' geht weit über die umgangssprachliche Bedeutung des Begriffs hinaus: Der Glaube beinhaltet eine lebendige innere Verbindung zu Gott und zu Jesus Christus, die Bitte um Vergebung aller Sünden, die Auseinandersetzung mit der Bibel sowie das aktive Bemühen, nach dem Wort der Bibel auch zu leben in Bezug auf Einstellungen, Werte, Regeln und Moral.

Diskussion. Um zu innerem Wissen bzw. zur Erkenntnis des Absoluten zu gelangen, kann es sinnvoll sein, im Sinne einer Lebenshypothese an eine Religion und ihre Konzepte zu glauben und sich auf den entsprechenden spirituellen Pfad einzulassen. Dazu ist ein gewisses Grundvertrauen in ein religiöses System mit seinem Mythos, seinen Dogmen und seinen religiösen Praktiken notwendig.

Genau dieses Vertrauen fehlt heute vielen Menschen v.a. im europäisch-christlichen Kontext, da Mythos, Dogmen und Riten von vielen Vertretern der christlichen Kirchen nicht auf eine für den modernen Menschen nachvollziehbare Art vermittelt und glaubwürdig vorgelebt werden. Zudem haben viele Menschen oft gar nicht mehr das Bedürfnis, zum inneren Wissen selbst überhaupt gelangen zu wollen.

Dort wo das Vertrauen vorhanden ist, stellt sich die Frage, wieviel kritische Distanz zum eigenen Glauben notwendig und sinnvoll ist. Die Grenze liegt sicher dort, wo der Glaube destruktiv sich selbst und der Schöpfung gegenüber wird, z.B. in einer selbst-zerstörerischen Askese, der Unterdrückung der eigenen Freiheit (z.B. in gewissen Sekten), der Verfolgung Andersdenkender, etc.

Was bedeutet es, etwas zu 'wissen'?

Definition. Der Begriff 'Wissen' bezeichnet im täglichen Sprachgebrauch einen Bestand an Fakten, Theorien und Gesetzen, die sich durch einen hohen Grad an intersubjektiver Gewissheit auszeichnen, so dass von ihrer Gültigkeit bzw. Wahrheit ausgegangen wird. Wissen ist rational nachvollziehbar und falsifizierbar.

Diskussion. Nur was sich in Sprache bzw. mathematische Begriffe fassen lässt, lässt sich auch als 'Wissen' intersubjektiv austauschen und überprüfen. Wissen lässt sich durch Fakten überprüfen. Der Bestand an Wissen kann sich jedoch durch neue Fakten oder die Falsifizierung bislang gültiger Theorien und Gesetze verändern. Was wir heute zu wissen glauben, kann sich morgen als falsch herausstellen.

Glauben und Wissen

Ob Gott existiert, ob Jesus wirklich gelebt und Wunder gewirkt hat, was er gelehrt hat und inwiefern die Bibel seine Lehren richtig und vollständig wiedergibt, können wir nicht wissen, wir können es nur glauben. Dieser Glaube kann durchaus sinnvoll sein, nur darf dies nicht als Wissen ausgegeben werden. Das gilt analog auch für viele Konzepte und Annahmen anderer Religionen.

Auf der anderen Seite dürfte es schwierig sein, nur auf der Basis von intersubjektiv abgesichertem Wissen, d.h. ohne Glaubensakt, einem spirituellen Pfad zu folgen. Auch das Ziel eines spirituellen Pfades, nämlich die innere Erkenntnis des Absoluten, entzieht sich jeder Begrifflichkeit.

Was bedeutet Erkenntnis?

Definition. Erkenntnis ist eine über das blosse Kennen hinausgehende, oft intuitive Einsicht in einen Gegenstand bzw. Sachverhalt. Erkenntnis beschränkt sich nicht auf nachprüfbare Fakten, sondern beinhaltet auch die Einsicht in die Bedeutung eines Sachverhalts und das Verstehen von inneren Zusammenhängen.

Diskussion. Ähnlich wie beim Wissen ist die Erkenntnis mit einem Anspruch an Richtigkeit verbunden, nicht jedoch an logische Wahrheit und an einen intersubjektiven Nachweis derselben. Im Gegensatz zum Glauben bzw. einem blossen Fürwahrhalten, besteht in der Erkenntnis eine tiefe innere Gewissheit von deren Richtigkeit.

Glauben und Erkenntnis

Im religiösen Kontext grenzt sich die Erkenntnis vom Glauben insofern ab, als mit dem Glauben ein blosses Fürwahrhalten von Glaubenssätzen, mit der Erkenntnis jedoch ein umfassendes Verstehen und tiefes inneres Wissen über das Absolute und dessen Beziehung zur Schöpfung verbunden ist. Die Abgrenzung ist in der Praxis allerdings schwierig, da auch der Glaubende meist das subjektive Gefühl hat, die Zusammenhänge zu verstehen.

Es lässt sich nicht ohne weiteres überprüfen, ob jemand eine echte Erfahrung von Gott und seinem Wirken hat. Solche Menschen sind in der Regel bescheiden und gelassen, verhalten sich in jeder Situation ethisch korrekt, sind allen Menschen gegenüber offen und mitfühlend, haben eine friedliche Ausstrahlung und sind undogmatisch bzw. offen für alle Religionen. Dies ist jedoch nur eine Auswahl von möglichen Indikatoren, kein Beweis für tiefere Erkenntnis.

Schlussfolgerung

Es erscheint sinnvoll...

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Version vom 11. April 2023

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